Organisatorische und rechtliche Anforderungen
Aufgabenbereich und Zielgruppe
Dieser Anwendungsbereich betrifft die rechtlichen und regulatorischen Aspekte bei dem Betrieb eines Webangebotes.
Dieses Kapitel wendet sich an folgende Personenkreise:
- CIOs
- Rechenzentren und Provider
- Verantwortliche von Webauftritten
- Verantwortliche Auftragsgeber
Er dient als Ergänzung und Vertiefung des Handlungsleitfadens für IT-Verantwortliche „Barrierefreie Software V1.0“.
Grundlagen
Barrierefreiheit ist kein neues Thema. Da die Exekutive durch das Onlinezugangsgesetz und E-Goverment-Gesetze verpflichtet ist, ihre Leistungen (demnächst) und Informationen auch digital anzubieten, gewinnt die Barrierefreiheit stark an Bedeutung. Verfassungsrechtlich gut begründbar ist es, einen Leistungsanspruch auf Zugänglichkeit von Informationen für benachteiligte Personen anzunehmen (Vgl. Sachs/Bethge GG Art. 5 Rn. 62-63, beck-online zu Art. 5 Abs. 1 2. Halbsatz GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG). Die verfassungsrechtliche Grenze dieser Leistung ergibt sich nur aus den verfügbaren Mitteln der handelnden Behörde.
Richtlinie 2016/2016/EU über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen
Mit der Richtlinie 2016/2102/EU der Europäischen Union vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen ist nun die europäischen Norm EN 301 549 V1.1.2 verbindlich geworden. Für den Bereich Web (Dokumente und Software) – enthält diese Norm alle Level A und Level AA – Erfolgskriterien der WCAG 2.0 als Mindestanforderung. Für Nicht-Webdokumente orientiert sich die Norm an den Richtlinien der WCAG2ICT Task Force.
Vereinfacht kann gesagt werden, dass der Maßstab für Barrierefreiheit im Web die WCAG Standard in der seiner aktuellen Fassung ist. Aktuell liegen die WCAG in der Fassung 2.1 vor. Wird man den Erfolgskriterien von WCAG 2.1 gerecht, erfüllt man auch WCAG 2.0. Mit einer Anpassung der Europäischen Norm auf die Fassung der WCAG 2.1 ist zu rechnen.
Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik (BITV)
Auf Bundesebene gilt die „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung“ (BITV). Diese schreibt vor, wie nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) die Träger öffentlicher Gewalt, insbesondere die Bundesbehörden, Barrierefreiheit technisch umsetzen sollen. Viele Landesgesetze und Landesverordnungen verweisen zur Umsetzung der Landesgesetze auf die BITV.
Die BITV wurde zum 21. Mai 2019 auf die Version 2.0 aktualisiert um sie entsprechend der eie auf die Europäische Norm anzupassen.
Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Die einfache gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit von Webseiten und Programmen folgt in Bayern für staatliche Hochschulen aus Art. 13 BayBGG. Dieser wurde auch bereits an die Richtlinie angepasst und umfasst nun explizit auch mobile Anwendungen. Die Details werden wie bisher in einer Verordnung geregelt. Jedoch waren Apps auch bereits zuvor vom BayBGG erfasst.
Bayerische Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung
Die Bayerische Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BayBITV) setzte in der Fassung von 2006 voraus, dass die Zugangspfade barrierefrei auszugestalten waren. Für bestehende (vor 31.12.2006) waren je nach Zielgruppe Übergangsfristen bis zum 31.12.2010 bzw. 31.12.2013 vorgesehen.
Die Umsetzung gemäß § 2 BayBITV (2006) und § 1 Abs. 1 BayBITV (Stand bis zum 30. September 2018) gibt für Webangebote der staatlichen Hochschulen die Empfehlung, die Barrierefreiheit nach der BITV Anlage in der Stufe Priorität I umzusetzen. Für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote ist die Empfehlung, diese gemäß der BITV Anlage in der Stufe Priorität II umzusetzen.
Für den Anwendungsbereich der Richtlinie 2016/2102/EU sind die Empfehlungen der BITV hinfällig. Maßgeblicher Standard für Webanwendungen der Hochschulen ist nun die WCAG über die Europäischen Norm EN 301 549 V1.1.2. Festzustellen ist, dass Hochschulen, die sich bereits vorher an die WCAG orientierten, einen Vorsprung in der Umsetzung der Barrierefreiheit erlangten.
Die Verordnung wurde mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 an die Richtlinie 2016/2102/EU angepasst: Am 8. November 2016 wurde die Bayerische Verordnung über die elektronische Verwaltung und die barrierefreie Informationstechnik (Bayerische E-Government-Verordnung – BayEGovV) erlassen, welche die bisherige BayBITV ersetzt.
Für die technischen Anforderungen wird trotz der europäischen Norm auf die Anlage 1 der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung verwiesen. Ob es weiter ein Nebeneinander des deutschen Standards und der europäischen Norm gegeben wird, bleibt abzuwarten. Gemäß fanden die neuen Pflichten aus der BayBITV mit den Änderungen zum 1. Oktober 2018 gemäß § 5a BayBITV mit unterschiedlichen Fristen erst ab dem 1. Oktober 2019 Anwendung. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand für die Hochschulen keine rechtliche Verpflichtung nach der BITV Anlage die Barrierefreiheit herzustellen. Im Hinblick auf die Überarbeitung der BITV sollte die Umsetzung an Hochschulen nach der Europäischen Norm EN 301 549 V1.1.2 erfolgen und dabei die WCAG 2.1 miteinbeziehen.
Umsetzung
Die Umsetzung erfordert zum einen die Beachtung formaler Aspekte (Barrierefreiheitserklärung, Feedback-Mechanismus und Umsetzungenfristen) zum anderen inhaltliche Aspekte (Barrierefreiheit der Inhalte durch technische und organisatorische Maßnahmen). Hinzu kommen die Besonderheiten aus der Umsetzung in Bayern. Ergänzend wird die Umsetzung durch Berichtspflichten an die EU-Kommission und leichtere Durchsetzungsmöglichkeiten für betroffene Menschen mit Behinderungen angetrieben.
Barrierefreiheitserklärung gemäß der Richtlinie 2016/2102/EU
Die Richtlinie führt eine Barrierefreiheitserklärung für Webseiten und mobile Anwendungen verpflichtend ein. Der Inhalt der Erklärung wird durch Art. 7 vorgegeben, dessen Inhalt die Kommission in einer Mustererklärung festlegt.
Ein Entwurf einer Mustererklärung für die Erklärung zur Barrierefreiheit ist bereits verfügbar. Die finale Version ist Mitte 2019 zu erwarten.
Als wesentlicher Bestandteil der Erklärung wird die Konformität mit den Barrierefreiheitsanforderungen vermutet, sofern und soweit nach Annex C der Europäischen Norm EN 301 549 V2.1.2 die Testkriterien erfüllt sind. Sofern dies jedoch nicht der Fall ist, ist in der Erklärung darzulegen, welche Kriterien, aus welchen Gründen nicht erfüllt werden konnten. Soweit einzelne Seiten die Konformität zur WCAG nicht erfüllen, ist anzugeben, welche sichere barrierefreie zugängliche Alternative besteht.
Die erforderlichen Alternativen können Leistungen von Kontakt- und Informationsstellen für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung oder die Schwerbehindertenvertretung für die Beschäftigten sein.
Bestandsaufnahme und innerorganisatorische Gestaltung
Um auch den Gestaltungsspielraum, den die Richtlinie 2016/2102/EU bietet auszuschöpfen, ist im ersten Schritt eine Bestandsaufnahme der wichtigsten Webseiten, Social-Media-Kanäle und Verwaltungsdokumente durchführen. Erste Schritte erhalten Sie im Kapitel „Test zur Barrierefreiheit“. Optimal bieten Sie für die Mitglieder der Hochschule Veranstaltungen zum Thema Barrierefreiheit an, und setzen ein Gremium zur Begleitung der Umsetzungsprojekte ein und verzahnen Barrierefreiheit in die Schulungsprogramme. Gerade für Webseiten wäre zu prüfen, ob eine höhere Konformität der Inhalte durch einen Freigabeprozess oder zentral organisierte Redaktion erreichbar ist.
Feedback-Mechanismus
Über die konkrete Umsetzung des Feedback-Verfahrens äußert sich die Richtlinie 2016/2102/EU kaum. Aus dem Entwurf der Mustererklärung für die Erklärung zur Barrierefreiheit wird ersichtlich, dass es eine Meldemöglichkeit geben muss und eine verantwortliche Person zu benennen ist. Aus den Erwägungsgründen wird zudem ersichtlich, dass über den Feedback-Mechanismus nicht barrierefreie Informationen, Dienstleistungen oder Dokumente für Betroffene barrierefrei zugänglich gemacht werden sollen. Die Umsetzung in Bayern gemäß § 2 BayBITV verlangt keine Öffentlichkeit für die Beschwerden, ähnlich einer Kommentarfunktion oder einem Diskussionsforum. Eine einfache (barrierefreie) Kontaktmöglichkeit zur Mitteilung von Inhalten, die nicht barrierefrei sind, ist ausreichend.
Die Beantwortung der Anfragen muss innerhalb von sechs Wochen gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BayBITV erfolgen. Bei einer nicht zufriedenstellenden Antwort können Betroffene ein Durchsetzungsverfahren beim Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung einleiten.
EU-Fristen
Die Barrierefreiheit war bereits nach nationalem Recht umzusetzen. Werden jedoch die neuen Fristen aus der Richtlinie 2016/2102/EU nicht eingehalten, liegt neben der verletzten gesetzlichen Pflicht ein Verstoß gegen EU-Recht vor. Aus diesem Grund sind die neuen Fristen von besonderer Relevanz.
- Alle neuen Dateiformate (PDF u.a.) aus Büroanwendungen müssen ab dem 23.09.2018 barrierefrei sein. Ältere Dateien müssen bis dahin ebenfalls barrierefrei sein, wenn sie für aktive Verwaltungsverfahren benötigt werden. (z.B. Prüfungsordnungen!). Es wird jedoch gleiche Umsetzungszeitraum dem Medium (wie nachfolgend) entsprechend zugebilligt werden müssen.
- Webseiten, die ab dem 23.09.2018 veröffentlicht wurden, müssen bis zum 23.09.2019 auf Stufe AA konform zu WCAG 2.0 sein; ältere Webseiten erst zum 23.09.2020.
- „Intranets/Extranets“ müssen bis zum 23.09.2019 barrierefrei sein. Ausnahmen gelten für Inhalte die vor dem 23. September 2019 erstellt wurden.
- Mobile Anwendungen müssen bis zum 23.06.2021 barrierefrei sein.
Barrierefreiheit und ihre Grenzen
Der Handlungsleitfaden für IT-Verantwortliche „Barrierefreie Software V1.0“ gibt den IT-Entscheidern auf den Seiten 9 und 10 umfassenden Empfehlungen, wann gemäß § 1 Abs. 1 BayBITV eine im Einzelfall durch die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen eine unverhältnismäßige Belastung besteht.
Vertiefung der Ausnahmen
Ergänzend zum Handlungsleitfaden für IT-Verantwortliche „Barrierefreie Software V1.0“ können die nachfolgenden Passagen bei der Entscheidungsfindung unterstützen. So gewährend die Richtlinie 2016/2102/EU einige Ausnahmen bei bestimmten Arten oder bei bestimmten Alter von Inhalten:
- Dateiformate von Büroanwendungen, die vor dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, soweit nur dokumentarisch (z.B. Folien zu früheren Veranstaltungen)
- aufgezeichnete zeitbasierte Medien, die vor dem 23. September 2020 veröffentlicht wurden
- live übertragene zeitbasierte Medien
- Online-Karten und Kartendienste, sofern bei Karten für Navigationszwecke wesentliche Informationen in einer barrierefrei zugänglichen Weise digital bereitgestellt werden
- Inhalte von Dritten, die von der betreffenden öffentlichen Stelle weder finanziert noch entwickelt werden, noch deren Kontrolle unterliegen
- Reproduktionen von Stücken aus Kulturerbesammlungen, die nicht vollständig barrierefrei zugänglich gemacht werden können
- Inhalte von Extranets und Intranets, die vor dem 23. September 2019 veröffentlicht wurden
Rückausnahmen
Die Richtlinie 2016/2012 EU hat einen kleineren Anwendungsbereich als das BayBGG. Während die Richtlinie 2016/2102/EU Webseiten und Apps regelt, umfasst das BayBGG Internet- und Intranetauftritte und Internetangebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen. Soweit die EU-Richtlinie 2016/2012 aber keine Anwendung findet, wie es z.B. für Karten oder digitalisierte Kulturgüter der Fall ist, sind auch diese Ausnahmen barrierefrei anzubieten. Die Grenze bleibt das technisch Machbare.
Verhältnismäßigkeitsausnahme
Durch den größeren Anwendungsbereich kommt der Verhältnismäßigkeit der Umsetzung der Barrierefreiheit eine große Bedeutung zu. Gleichwohl zeigen die Erwägungsgründe der Richtlinie 2016/2012 EU, dass die Zeit von Ausreden vorbei ist. So sollen nicht barrierefreie Inhalte in allen Fällen so barrierearm wie möglich angeboten werden. Die Barrierefreiheit ist auch kein Grund veröffentlichungspflichtige Dokumente nicht zu veröffentlichen, da insoweit die Aufgabenerfüllung Vorrang vor der Barrierefreiheit genießt. Unmissverständlich werden jedoch mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnis als Rechtfertigungsgründe abgelehnt. Ebenso die Nichtentwicklung von Softwaresystemen zur barrierefreien Verwaltung von Inhalten auf Websites und in mobilen Anwendungen. Die Angebote sollen auch bestmöglichst zu assistiven Technologien kompatibel sein. Ebenso sollten Programmierschnittstellen angeboten werden.
In der konkreten Ausgestaltung sieht der Bayerische Gesetzgeber eine schrittweise technische Umstellung der Angebote vor. Dies erspart jedoch nicht die Bestandsaufnahme für jedes Angebot (Webauftritte, Intranets und mobile Anwendungen) hinsichtlich der Barrierefreiheit.
Art. 13 Abs. 1 S. 2 schränkt die Umsetzung auf die technischen, finanziellen, wirtschaftlichen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt ein. Hier können auch die Ausnahmen der Richtlinie 2016/2102/EU wieder hineingelesen werden, wie sie etwa für Karten oder digitalisierte Kulturgüter vorgesehen sind.
Mit Blick auf Art. 5 der Richtlinie 2016/2012 EU wird dies noch etwas spezifischer ausgeführt. Insbesondere in Hinblick auf
- Größe, Ressourcen und Art der betreffenden öffentlichen Stelle;
- Die Umsetzungskosten im Vergleich zu den mit einer Umsetzung erzielbaren Vorteilen;
- Nutzungshäufigkeit der Webseiten und mobilen Anwendungen durch Menschen mit Behinderungen.
Ziel ist, dass durch die Umsetzung der Barrierefreiheit keine übermäßige organisatorische oder finanzielle Last entsteht. Da die Umsetzung von barrierefreiem Webdesign Vorteile mit sich bringt wie
- responsives Design,
- Nutzung der Angebote von jedem Endgerät
- Optimierung der Inhalte für Suchmaschinen
überwiegen die Investitionen die Kosten.
Durchsetzungsmöglichkeiten für Betroffene
Für Öffentliche Stellen unter Verantwortung des Bundes ist die Bundesfachstelle Barrierefreiheit eingerichtet worden. Sie übernimmt die Aufgaben:
- Zentralen Anlaufstelle für das Schlichtungsverfahren
- Erstberatung
- Aufnahme der Überwachungsfunktion (ab 2020)
- Koordination der Meldungen der Bundesländer
- Reporting an die EU Kommission
Bayerische Besonderheiten
Behandlung von Schlichtungsverfahren, Überwachungs- und Kontrollfunktion
Für die Durchsetzung und Überwachung ist für Träger öffentlicher Gewalt in Bayern ist das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung gemäß § 3 BayBITV zuständig.
Das Landesamt überwacht und kontrolliert die Umsetzung und wird Beschwerden von Nutzern nachgehen.
- Es nimmt Beschwerden über Feedback-Mechanismus an und behandelt diese.
- Es prüft die Webauftritte der Öffentlichen Stellen bzw. fordert hierzu Berichte ein.
- Und meldet den Status für den Freistaat Bayern ab Juni 2021 an den Bund.
Bayerische Fristen
Da der einfachgesetzliche Auftrag in Bayern schon seit 2006 besteht, sind die Umsetzungfristen in Bayern angepasst.
Aktuell gelten nach der im Oktober 2018 erneuerten BayBITV 2.0 folgende Fristen für Öffentliche Stellen:
- Inhalte, die bis zum 30. September 2018 erstellt wurden: bis 30. September 2020
- Alle danach erstellten Inhalte: bis 30. September 2019
- Mobile Anwendungen: bis 1. Juli 2021
Es handelt sich dabei um Umsetzungsfristen. Die alten Pflichten (BayBITV1.0) gelten bis zum Zeitpunkt der neuen Umsetzung fort – und waren bereits abgelaufen. Daher beginnt die Umsetzung jetzt und hätte schon beginnen müssen.
Eine Frist zur Bereitstellung einer Barrierefreiheitserklärung wurde in der BayBITV nicht definiert. Daher gilt für diese die Frist der EU Richtlinie: ab dem 21. September 2019 müssen Webangebote der öffentlichen Stellen eine Barrierefreiheitserklärung aufweisen mit Angabe des Standes der Umsetzung der Barrierefreiheit, der Bereitstellung eines Feedback-Mechanismus und der Verlinkung der aufsichtsführenden Stelle (das Landeamt für Digitalisierung).
Entwicklung und Ablauf der Umsetzungsfristen in Bayern seit 2005
Träger | Erstellungsdatum des Webangebotes | BayBITV 1.0 (2006) |
BayEGovV (2016) |
---|---|---|---|
Staatsverwaltung | 31. Dezember 2005 oder älter | bis 31. Dezember 2013 | bereits abgelaufen |
Staatsverwaltung | 1. Januar 2006 oder danach | bis 31. Dezember 2012 | bereits abgelaufen |
Staatsverwaltung | 30. September 2018 oder älter | – | bereits abgelaufen (1. Oktober 2020) |
Staatsverwaltung | 1. Oktober 2018 oder danach | – | bereits abgelaufen (1. Oktober 2019) |
Hochschulen | 30. September 2018 oder älter | Keine Frist, aber Empfehlung | bereits abgelaufen (1. Oktober 2020) |
Hochschulen | 1. Oktober 2018 oder danach | Keine Frist, aber Empfehlung | bereits abgelaufen (1. Oktober 2019) |
Seiten zur Teilhabe | egal | bis 31. Dezember 2010 | bereits abgelaufen |
Apps | – | Wie Webseiten | ab 1. Juli 2021 |
Für Dateiformate aus Büroanwendungen sind die gleichen Fristen maßgeblich. Intranets/Extranets sind wie Webseiten zu behandeln.
Deutsche Gebärdensprache und Leichte Sprache
Für Neuveröffentlichung ab dem 1. Oktober 2018 sind nach Fristablauf (siehe zuvor) zusätzliche Inhalte gemäß Anlage 2 BITV 2.0 in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen. Dies umfasst
- Informationen zum Inhalt
- Navigationshinweise
- Hinweise auf weitere Informationen, die in diesem Auftritt entweder in Deutscher Gebärdensprache oder in Leichter Sprache eingestellt sind.
Es bietet sich an, den Auftritt neben Deutsch und Englisch die Sprachversion Deutscher Gebärdensprache und Leichte Sprache anzubieten. Eine Wirtschaftlichkeit Inhalte in dieser Form anzubieten ist abseits der zentrale Navigations- und Einstellungsangebote sehr genau zu prüfen.
Vertragliche Anforderungen bei Auftragsarbeiten
Werden Webseiten nicht hochschulintern, sondern extern entwickelt oder gestaltet, hat die Einrichtung, die einen solchen Auftrag vergibt, neben dem Haushaltsrecht sicherzustellen, dass in der Auftragsdefinition die Einhaltung der EU-Norm zur Barrierefreiheit verbindlich gefordert wird. Dies gilt nicht nur für Programmierarbeiten, sondern auch für gestalterische Leistungen.
Die Schritte zum Auftrag (vereinfachte Darstellung)
- Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
- Konformität zur Europäischen Norm EN 301 549 V2.1.2 – Der Handlungsleitfaden für IT-Verantwortliche „Barrierefreie Software V1.0“ enthält auf Seite 16-18 wertvolle Empfehlungen zu Leistungsanforderung für die Beschaffung. Die Stabsstelle IT-Recht bietet dafür gegen Ende 2018 einen Mustertragvertrag an.
- Einhalten des Vergaberechts
- a) Dokumentation der Entscheidung und des Verfahrens
- b) Bis € 1000 (ohne Umsatzsteuer) ist eine Direktvergabe möglich
- c) Bis € 50.000 (ohne Umsatzsteuer) ist bei entsprechender Begründung die Vergabe nach Einholung von drei Angeboten möglich. Ab € 25.000 (ohne Umsatzsteuer) ist eine elektronische Vergabe vorgesehen.
- d) Bei größeren Aufträgen sollte stets eine Abstimmung mit dem Einkauf erfolgen
Die Schritte nach dem Auftrag
- Prüfung des Werkes bei der Abnahme auf seine Barrierefreiheit, ggf. mit Hilfe Ihres Rechenzentrums
- Vorbehalten der Abnahme bis zur erfolgreichen Barrierefreiheitsprüfung
- Bei fehlender Barrierefreiheit: Setzen einer Frist von ca. zwei Wochen bis einem Monat zur Umsetzung der Barrierefreiheit
- Erneute Prüfung auf Barrierefreiheit
- Nach Fristablauf Durchsetzung Ihrer Rechte anstreben
- a) Verlangen eines Vorschusses in Höhe der Kosten für die Herstellung der Barrierefreiheit
- b) Alternativ den Vertrag auflösen oder teilweise die Vergütung zurückfordern
- c) Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen
Weitere Pflichtangaben auf Webseiten
Da die Webseite um eine Barrierefreiheitskonformitätserklärung zu erweitern ist, lohnt sich in dem Zuge auch einen prüfenden Blick auf Impressum und Datenschutzerklärung zu werfen.
Impressum
Häufige Fehler sind die fehlende Angabe der Rechtsform, fehlende gesetzliche Vertreter oder ein nicht aktualisierter Name der zuständigen Aufsichtsbehörde.
Über ein Webformular stellt die Stabsstelle IT-Recht der bayerischen staatlichen Universitäten und Hochschulen im Rahmen Ihrer Zuständigkeit einen Vorschlag für ein Impressum zur Verfügung.
Datenschutzerklärung
Gerade eigenständige Projektseiten oder Webseiten der Hochschulvereine haben ihr Impressum noch nicht aktualisiert. Häufig werden auch unbedacht nicht passende Textbausteine aus Musterdatenschutzerklärungen eingefügt.
Die Musterdatenschutzerklärung der Stabsstelle IT-Recht der bayerischen staatlichen Universitäten und Hochschulen versucht diese Fehlerquellen zu minimieren und versucht in seinem Umfang die üblichen Anforderungen eines Hochschulinternetauftritts gerecht zu werden.
Handlungsempfehlungen
- Abhalten einer Auftaktveranstaltung zur Barrierefreiheit
- Einsetzen eines Gremiums zur Umsetzung
- Festlegen von Verantwortlichkeiten für die Umsetzung der Barrierefreiheit
- Prüfung, ob eine Inhaltsfreigabe über eine zentrale Stelle koordiniert werden könnte
- Auswahl der Webseiten, die gemäß Annex C der Europäischen Norm EN 301 549 V2.1.2 geprüft werden
- Prüfung führender Systeme und aller neuen
- Konformität zur Europäischen Norm EN 301 549 V2.1.2 in der Regel als verpflichtendes Kriterium für Beschaffungen festlegen
- Beständige Information und Sensibilisierung für das Thema
- Barrierefreiheitserklärung und Feedback-Mechanismus auf Webseite und in mobilen Anwendungen veröffentlichen
- Etablieren von Schulungsangeboten
- Regelmäßiger hochschulübergreifender fachlicher Austausch der Wissensträger
Vertiefung
- Stabsstelle IT-Recht für die bayerischen staatlichen Hochschulen und Universitäten, https://www.rz.uni-wuerzburg.de/dienste/it-recht/